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Aufnahmeanordnung

21.12.2022 - Artikel

Anordnung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat gemäß § 23 Absatz 2, Absatz 3 i. V. m. § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zur Aufnahme von besonders gefährdeten afghanischen Staatsangehörigen aus Afghanistan

vom 19. Dezember 2022

Deutschland setzt sein Engagement für die Menschen in Afghanistan auf vielfältige Weise fort. Als Teil der internationalen Bemühungen um Unterstützung für Afghaninnen und Afghanen hat Deutschland beispielsweise besonders Gefährdeten unter ihnen in den vergangenen Monaten über verschiedene Verfahren eine Aufnahme in Deutschland ermöglicht. In Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie in Umsetzung der Vereinbarung im Koalitionsvertrag, ein humanitäres Aufnahmeprogramm des Bundes aufzusetzen und für Afghanistan zu nutzen, erfolgt vorliegende Anordnung zur zahlenmäßig begrenzten Aufnahme von besonders gefährdeten afghanischen Staatsangehörigen aus Afghanistan.

Der Inhalt der vorliegenden Anordnung wurde bei einer Videoschaltkonferenz von Bund und Ländern am 14. Oktober und 26. Oktober 2022 erörtert und den Ländern die Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben. Insoweit ist das Benehmen mit den zuständigen obersten Landesbehörden hergestellt.

Vor diesem Hintergrund ergeht folgende Anordnung gemäß § 23 Abs. 2, Abs. 3 i. V. m. § 24 AufenthG

1. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erteilt monatlich bis zu 1.000 Personen (afghanischen Staatsangehörigen und deren berechtigten Familienangehörigen aus Afghanistan, nicht ausgeschöpfte Kontingente werden auf den Folgemonat übertragen), die

  • sich durch ihren Einsatz für Frauen-/Menschenrechte oder durch ihre Tätigkeit in den Bereichen Justiz, Politik, Medien, Bildung, Kultur, Sport oder Wissenschaft besonders exponiert haben und deshalb individuell gefährdet sind oder
  • aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität oder ihrer Religion eine sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergebende spezifische Gewalt oder Verfolgung erfahren bzw. erfahren haben und deshalb konkret und individuell gefährdet sind, insbesondere als Opfer schwerer individueller Frauenrechtsverletzungen, homo- oder transfeindlicher Menschenrechtsverletzungen oder als exponierte Vertreterinnen und Vertreter religiöser Gruppen/Gemeinden,

eine Aufnahmezusage. Die Aufnahme erfolgt grundsätzlich aus Afghanistan.

Zum Kreis der berechtigten Familienangehörigen zählt die Kernfamilie der Hauptperson, d.h. ein Ehepartner oder eine Ehepartnerin und minderjährige ledige Kinder. Gleichgeschlechtliche Lebenspartner/innen können bei entsprechender Glaubhaftmachung auch Berücksichtigung finden. Zudem können weitere Familienangehörige der Hauptperson eine Berücksichtigung finden, bei denen glaubhaft dargelegt wird, dass sie

  • a. in einem besonderen, nicht nur wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zur Hauptperson stehen oder
  • b. sich in einer konkreten und andauernden Bedrohungslage befinden, die in einem direkten Zusammenhang mit der bei der Hauptperson aufgrund der Tätigkeit oder Vulnerabilität bestehenden konkreten Gefährdung steht.

Die nach dieser Aufnahmeanordnung geplante Aufnahme von besonders gefährdeten afghanischen Staatsangehörigen aus Afghanistan soll während der laufenden Legislaturperiode umgesetzt werden. Eine Evaluierung soll nach 18 Monaten erfolgen und dabei die tatsächlichen Ausreisemöglichkeiten aus Afghanistan sowie die Aufnahme- und Integrationsfähigkeiten (insbesondere Unterbringungskapazitäten in den Ländern) berücksichtigen.

2. Die Auswahl der Personen nach Ziffer 1 durch die Bundesregierung erfolgt unter Berücksichtigung insbesondere folgender Kriterien:

  • personenbezogene Vulnerabilität, wie sie bspw. der Kriterienkatalog des UNHCR definiert (z.B. alleinstehende Frauen mit Kindern, Frauen in prekärer Lebenssituation, LSBTI+, Personen mit besonderen medizinischen Behandlungserfordernissen);
  • Deutschlandbezug, z.B. deutsche Sprachkenntnisse, integrationsfördernde familiäre Bindungen, Voraufenthalte in Deutschland, ehemalige Tätigkeit für deutsche Behörden/Projekte, Unterstützung durch deutsche Arbeitgeber/deutsche Organisationen;
  • besondere persönliche Exponiertheit, z.B. durch Art und Dauer der Tätigkeit in Afghanistan, herausgehobene Position, öffentliche Äußerungen;
  • besonderes politisches Interesse Deutschlands an einer Aufnahme.

3. Die aufzunehmenden Personen müssen von meldeberechtigten Stellen vorgeschlagen werden, indem diese die für die Auswahl und Aufnahme erforderlichen Daten und Informationen in einer vom Bundesministerium des Innern und für Heimat zur Verfügung gestellten IT-Anwendung eintragen. Ein Zugang zur IT-Anwendung ist nur nach vorheriger Authentifizierung als meldeberechtigte Stelle möglich. Zivilgesellschaftliche Organisationen kommen insbesondere als meldeberechtigte Stelle in Betracht, wenn sie im Rahmen der im August 2021 erfolgten Evakuierungen aus Afghanistan bzw. den laufenden Aufnahmen aus Afghanistan mit dem Auswärtigem Amt zusammengearbeitet haben sowie Organisationen, die zwischen 2013 und 2021 eine finanzielle Unterstützung zur Umsetzung von zivilgesellschaftlichen Projekten in Afghanistan aus dem Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erhalten haben. Eine Koordinierungsstelle der zivilgesellschaftlichen Organisationen koordiniert und unterstützt dieses Verfahren für diese Organisationen.
In besonderen Fällen können die aufzunehmenden Personen auch vom Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung als auch vom Bundesministerium des Innern und für Heimat durch Eingabe der erforderlichen Daten in die IT-Anwendung vorgeschlagen werden.


4. Im Rahmen des Aufnahmeverfahrens sowie des sich anschließenden Visumverfahrens werden die Identität sowie das Vorliegen von Sicherheitsbedenken gegen die Person unter Beteiligung deutscher Sicherheitsbehörden geprüft. Ausgeschlossen von der Aufnahme sind grundsätzlich Personen,

  • a. die außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen haben, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist;
  • b. oder bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass
    • i. Verbindungen zu kriminellen Organisationen oder terroristischen Vereinigungen bestehen oder bestanden haben;
    • ii. sie in sonstiger Weise Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder verfolgt oder unterstützt haben, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind;
    • iii. oder sie Bestrebungen unterstützen, welche geeignet sind, gegen eine durch ihren Glauben oder ihre nationale beziehungsweise ethnische Herkunft bestimmte Gruppe aufzuwiegeln;
  • c. oder bei denen sonstige tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass diese im Falle einer Aufnahme eine besondere Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland darstellen könnten.

Darüber hinaus können Personen aus dem Verfahren ausgeschlossen werden:

  • a. die vorsätzlich falsche Angaben machen oder eine zumutbare Mitwirkung am Verfahren verweigern; oder
  • b. die einem angesetzten Termin im Rahmen des Verfahrens aufgrund eines durch sie zu vertretenden Grundes fernbleiben.

5. Die Aufnahmezusage wird unter dem Vorbehalt erteilt, dass das anschließende Visumverfahren erfolgreich abgeschlossen wird und keine sicherheitsrelevanten Erkenntnisse vorliegen bzw. bekannt werden. Die obersten Landesbehörden stimmen der Visumerteilung nach § 32 der Aufenthaltsverordnung zu.

6. Den ausgewählten Personen wird zunächst eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis richtet sich nach § 8 AufenthG; die anschließende Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels richtet sich nach § 9a bzw. § 26 Abs. 4 AufenthG; die Pflichten des Betroffenen nach § 48 AufenthG bleiben unberührt.

7. Die lastengerechte Verteilung der ausgewählten Personen auf die Länder erfolgt unter Berücksichtigung familiärer sowie möglichst sonstiger integrationsförderlicher Bindungen grundsätzlich nach Maßgabe des für die Verteilung von Asylbewerbenden festgelegten Schlüssels (Königsteiner Schlüssel). Bei der Verteilung können Ländern weitere ausgewählte Personen additiv zu der nach dem Königsteiner Schlüssel festgelegten Verteilung zugewiesen werden, wenn diese zuvor ihre Bereitschaft zu einer überquotalen Aufnahme angekündigt haben. Für die Verteilung auf die Länder findet § 24 Abs. 3 AufenthG entsprechende Anwendung (§ 23 Abs. 3 AufenthG).
Für die Zuweisung durch die Länder in den Zuständigkeitsbereich einer bestimmten
Ausländerbehörde findet § 24 Abs. 4 AufenthG entsprechende Anwendung (§ 23 Abs. 3 AufenthG). Bis zur erstmaligen Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt zur Wohnsitzregelung § 24 Abs. 5 AufenthG (§ 23 Abs. 3 AufenthG). Die Wohnsitzregelung gemäß § 12a AufenthG findet ab erstmaliger Erteilung der Aufenthaltserlaubnis Anwendung.

8. Grundsätzlich stellt der Bund sicher, dass die Erstaufnahme der ausgewählten Personen über eine zentrale Zwischenunterbringungseinrichtung des Bundes beziehungsweise über eine Einrichtung, die dem Bund von einem Land für diesen Zweck zur Verfügung gestellt wurde, für die Dauer von bis zu 14 Tagen erfolgt und die Verteilung durch das BAMF auf die Länder dort vorzunehmen ist. Soweit eine zentrale Erstunterbringung nicht gewährleistet werden kann (bspw. aufgrund der Covid-19 Lage etc.), erklären sich die Länder bereit, die von ihnen aufzunehmenden Personen unmittelbar nach deren Einreise vom Flughafen abzuholen und aufzunehmen. Die Direkteinreisen – insbesondere die Organisation dieser Einreisen – spricht das BAMF vorab mit den Ländern ab. Das BAMF wird die Länder rechtzeitig, spätestens aber 14 Tage vor der Einreise entsprechend informieren.

Für das Bundesministerium des Innern und für Heimat
Im Auftrag
Elektr. gez. Franke

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